Die Rhetorik der Krise

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sxc_1093355_54138579-krise-800 Was beeindruckt Sie am meisten an der aktuellen Krise?

  • Sind es die Banken, deren Gewinne einst ebenso hoch waren wie ihre Wolkenkratzer-Firmensitze – und deren Bilanzen nun asbest-gleich von unaussprechlich komplizierten Wertpapierkonstrukten verseucht sind?
  • Sind es die amerikanischen Autobauer, deren Riesenauto-Wahn die Straßen dieser Welt verstopft hat – und die nun nach 30 Jahren voller Benzinillusionen an der staatlichen Zapfsäule Milliarden tanken?
  • Oder sind es die 1,2 Millionen Deutschen, die ihr Altauto auf Staatskosten verschrotten lassen wollen – und gar nicht mitbekommen, dass sie bei 17.000 bislang abgearbeiteten Anträgen wohl noch Jahre auf ihre Prämie warten müssen?

Toll finde ich an der Finanzapokalypse eines: Die Fülle an neuen Begriffen, die das Versagen vieler einzelner in seltsame Worthülsen fasst. Da wird eine Verschrottungszulage martialisch Abwrackprämie getauft, die fahrlässige Gefährdung des gesamten Finanzsystems wird flugs zum „systemischen Risiko“ umgedichtet. Banken, die Wertpapiere mit dubioser Unterlegung kaufen, haben Schrottpapiere ins Portfolio gestopft. Boni-Bankern werden Gehaltszulagen, die eigentlich auf objektiv quantifizierbaren Erfolgsvereinbarungen basieren sollten, ohne Rücksicht auf Milliardenverluste gewährt. Die Zulagen werden einfach festgeschrieben, komme da, was wolle.

Am allerschönsten finde ich aber einen Ausdruck, der seit kurzem in den USA die Runde macht. Dort will der oberste Finanzsheriff, der das TARP-Rettungsprogramm umsetzen soll, Banken zu Zugeständnissen zwingen. Im Klartext: Vertraglich vereinbarte Zahlungen sollen wegen der prekären Finanzlage einfach nicht in vollem Umfang bezahlt werden – die Vertragspartner müssen sich mit einer Quote begnügen. Das heißt aber nicht einfach Insolvenz oder Erpressung – sondern hat den schönen Fachnamen „haircut“, also Haarschnitt. Die Bilanz-Friseure der Bankenwelt sollten sich vorsehen. Denn diese Coiffure wird teuer.

Über den Autor:

Ich bin Wirtschaftsjournalist, entwickle Online-Inhaltsformate und schreibe am liebsten Business-Berichte mit Biss - erzählt in der jeweils passenden Inhaltsform. Dafür nutze ich alle Möglichkeiten, die das Handwerkszeug des Online-Qualitätsjournalismus hergibt. Angeeignet habe ich mir das in mehr als einem Dutzend Jahren beim SPIEGEL-Verlag und der Verlagsgruppe Handelsblatt.

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