Saab erhält mit Spyker einen flügellahmen Investor

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Die Töchter von General Motors sind immer für eine Überraschung gut: Nach zahlreichen Opel-Berichten schaffte es heute GMs schwedische Tochter Saab in die Schlagzeilen. Für die schwedische Kult-Automarke schimmert ein zarter Hoffnungsstreif am Pleite-Horizont: Nun will der niederländische Sportwagenbauer Spyker sich Saab annehmen. Doch die angebliche Rettung könnte sich als Luftnummer entpuppen, wie meine Recherchen ergaben.

Spyker Cars ist der einzig verbliebene Saab-Interessent, nachdem die Verhandlungen mit dem schwedischen Luxusautobauer Koenigsegg vor wenigen Wochen scheiterten. GM-Chef Ed Whitacre übt sich in Optimismus: „Ich habe das Gefühl, dass es möglich ist“, sagte er gestern vor Reportern über einen Verkauf an Spyker.

Bei genauerer Betrachtung ist der Deal jedoch alles andere als zukunftsweisend: Vieles spricht dafür, dass GM Saab ohnedies abwickeln will. Spyker mag zwar exklusive und hochpreisige Sportwagen bauen können. Von Wirtschaftlichkeit verstehen die Niederländer allerdings wenig.

GM filetiert Saab scheibchenweise

Großes Interesse scheint GM nicht daran zu haben, die kränkelnde schwedische Tochter wieder aufzupäppeln. Gestern erst teilte Saab mit, dass die Technologie aus den aktuellen Baureihen 9-5 und 9-3 an den chinesischen Autobauer BAIC verkauft werden. Die Chinesen haben dafür laut schwedischen Medien 1,4 Milliarden Kronen, also rund 200 Millionen Euro, bezahlt.

Durch den Deal wechselt auch ein Teil der Fertigungsanlagen den Besitzer. Damit steht Saab in Kürze ohne technisches Know-How und nur mit einem Teil seiner bisherigen Fertigungskapazitäten da.

Insgesamt 3400 Mitarbeiter beschäftigt Saab noch, weitere 3000 arbeiten bei Subunternehmen. Ihr möglicher künftiger Besitzer Spyker ist da deutlich kleiner dimensioniert: Insgesamt 135 Leute arbeiten für Spyker in den Niederlanden. Doch  auch Spyker hat offenbar wirtschaftliche Probleme: Erst vor kurzem hat der Sportwagenbauer bekanntgegeben, den Automobilzusammenbau von den Niederlanden ins englische Coventry zu verlegen. Insgesamt 45 Mitarbeiter sind davon direkt betroffen.

Spezialisiert hat sich Spyker auf den Bau exklusiver zwei- und viersitziger Sportwagen, die ab 235.000 Euro zu haben sind. Seinen Namen leitet Spyker von den beiden Brüdern Jacobus und Hendrik-Jan Spijker ab, die im Jahr 1900 eine auf exklusive Automobile spezialisierte Manufaktur gründeten. Bereits 1903 stellten die Brüder unter dem Handelsnamen Spyker das erste allradgetriebene Rennauto der Welt vor. Während des ersten Weltkriegs brach das Geschäft mit Luxusautos drastisch ein, Spyker verlegte sich auf den Flugzeugbau – bei dem das jetzige Firmenlogo mit seinem stilisierten Propeller Anleihen nimmt. Nach dem Krieg baute Spyker wieder Autos, doch die Auftragslage blieb dünn. 1926 wurde die Firma aufgelöst.

Wiederbelebung und Formel-1-Rennstall

Es dauerte mehr als 70 Jahre, bis die Marke wiederbelebt wurde: Seit 1999 lässt der niederländische Multimillionär Victor R. Muller unter dem Namen Spyker Cars wieder exklusive Autos bauen-  und wendet sich mit seinen ungewöhnlich designten Autos an eine betuchte Klientel: Zwischen 100 und 150 Autos baut Spyker jährlich, am Produktionsprozess können die Kunden im Internet mit aktuellen Daten und einer Webcam teilhaben.

Im September 2006 leistete sich Spyker sogar einen eigenen Formel-1-Rennstall. Doch wegen finanzieller Schwierigkeiten trennte sich Spyker im Jahr 2008 von seinem teuren Rennsport-Engagement.

Geldgeber mit tiefen Taschen und anrüchigem Glanz

Spykers Finanzlage ist eher düster: In den 10 Jahren seines Bestehens hat der Sportwagenbauer noch nie einen Gewinn erwirtschaftet. Im dritten Quartal verkaufte Spyker gerade einmal 12 Autos, im ersten Halbjahr waren es 23. Von Januar bis Juni dieses Jahres kam Spyker auf einen Fehlbetrag von 8,7 Millionen Euro. Im Vorjahreszeitraum war der Verlust mit 8,8 Millionen Euro nur unwesentlich größer.

Der Autobauer ist an der Börse Euronext gelistet – doch seine Aktionäre haben offenbar besonders tiefe Taschen: Soist das Scheichtum Abu Dhabi über seine staatliche Investmentfirma Mubadala Development Company an Spyker beteiligt. Einer ihrer Vertreter sitzt auch im Aufsichtsrat von Spyker.

Spykers größter Investor dürfte konservativeren Anlegern eher unanagenehm sein: Alexander Antonow ist ein russischer Geschäftsmann mit vielen Feinden. Sein 34-jähriger Sohn Wladimir ist der Aufsichtratsschef von Spyker. Über sein russisches Geldinstitut Conversbank hält Antonow 29,9 Prozent an dem Sportwagenbauer. Zudem gehört Antonow auch die litauische Snorasbank, die ebenfalls an Spyker beteiligt ist.

Antonow Senior hat angeblich insgesamt sieben Attentate überlebt. Bei einem misslungenen Anschlag im April dieses Jahres verlor er Berichten zufolge einen Finger, blieb aber ansonsten unversehrt.

Viele ungelöste Fragen

Wie die kleine Sportwagenschmiede Spyker, die jährlich weniger als 50 Fahrzeuge herstellt, nun Saab zum Erfolg führen soll – das bleibt eine ungelöste Frage. Ein jährlicher Ausstoß von mehr als 10.000 Fahrzeugen, den Saab wohl schaffen könnte, dürfte Spykers Managmentkapazitäten doch etwas übersteigen. Zudem ist unklar, wie Saab künftig seine Fahrzeuge fertigen soll, wo doch ein Teil der Produktionsanlagen nach China verkauft wurde. Anfang 2010 soll der neue Saab 9-3 vom Band rollen – ob er das tatsächlich tut, ist jetzt noch nicht abzusehen.

Der Saab-Standort in Trollhättan wird unter solchen Vorzeichen wohl kaum zu halten sein – aber das dürfte Spyker wohl kaum stören. Es drängt sich ein wenig der Eindruck auf, dass die Niederländer ohnedies nur die Rechte auf den Markennamen kaufen wollen und dann mal weitersehen. Und: Noch ist der Verkauf von Saab längst nicht in trockenen Tüchern. Die Saab-Mitarbeiter können also längst noch nicht aufatmen.

Disclaimer: Die von mir gestaltete wiwo.de Bildergalerie mit ähnlichen Texten finden Sie hier.

Über den Autor:

Ich bin Wirtschaftsjournalist, entwickle Online-Inhaltsformate und schreibe am liebsten Business-Berichte mit Biss - erzählt in der jeweils passenden Inhaltsform. Dafür nutze ich alle Möglichkeiten, die das Handwerkszeug des Online-Qualitätsjournalismus hergibt. Angeeignet habe ich mir das in mehr als einem Dutzend Jahren beim SPIEGEL-Verlag und der Verlagsgruppe Handelsblatt.

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