Es war eine knappe Nachricht zu einem ungewöhnlichen Zeitpunkt. Die Coronakrise hatte Deutschland seit zwei Wochen fest im Griff, als ich eine E-Mail von Porsches Pressestelle mit dem wenig aufregenden Titel “Rubrik Ausfahrt in MM” bekam. Üblicherweise verheißen solche Betreffzeilen eher eine Beschwerde über eine inhaltliche Ungenauigkeit in einem Text. In diesem Fall war es anders. Da fragte eine Porsche-Pressesprecherin ebenso höflich wie knapp an, ob ich als Redakteur der Autotest-Rubrik “Ausfahrt” Interesse an einem Test der besonderen Art hätte: Porsche vergebe gerade die ersten Testwagen-Termine für das neue Porsche 911 Turbo S Cabrio und Coupé. Ob ich denn “unter Umständen” auch Interesse habe, “unser neues Sportwagen-Flaggschiff kennenzulernen?”
Ich gebe zu, mir gefiel die Idee, mit einem fabriksneuen Porsche dem grassierenden Corona-Blues zumindest zeitweise zu entkommen. Den Elektro-Porsche Taycan hatte ich zwar zur Weltpremiere gesehen, aber noch nicht gefahren. Deshalb hatte es durchaus Charme, einen hochgezüchteten Verbrenner mit extremeren Leistungsdaten zu fahren. Zum üblichen Profil unserer Ausfahrt-Rubrik passte das Auto durchaus auch. Ich sagte deshalb zügig zu.
Ende April lieferte ein Zustellfahrer ein nagelneues Porsche 911er Turbo S Cabrio in mitternachtsblau vor meiner Haustüre ab. Natürlich war der Wagen, wie es die Situation erforderte, zuvor gründlich desinfiziert worden. Ein längeres Wochenende, von Freitag bis Dienstagmorgen, konnte ich den Wagen dann ausgiebig rund um Hamburg probefahren.
Porsche 911 Turbo S Cabrio will längst nicht jedem gefallen
Ich bin persönlich kein großer Fan des Autobahn-Schnellfahrens, das ist mir auf Dauer schlicht zu anstrengend. Aber eine Beschleunigung von 2,8 Sekunden auf 100 km/h verleitet schon zu dem einen oder anderen schnellen Zwischenspurt. Oder zum Beschleunigen auf der Autobahn.
Anders als manche Kollegen neige ich aber auch nicht zu übertriebenen Technik-Lobhudeleien. Die Performance des Wagens beeindruckte mich zwar, auch manche Details sind gut gemacht. Doch die supersportliche Auslegung des Porsche 911-Sportmodells schlägt sich nicht in überbordendem Komfort für Fahrer und Beifahrer nieder. Der Wagen ist für meinen Geschmack deutlich zu hart gefedert. Die Bedienung der Innenraum-Elektronik ist zwar gut gelungen, die Ablesbarkeit aller Instrumententafeln dafür weniger. Das Schließen und Öffen des Cabriodaches geht zwar ebenso schnell wie präzise. Doch die “Proll-Taste”, wie ich sie taufte, muss nun nicht unbedingt sein.
Ins Printheft schaffte es der Über-911er damals erstmal nicht – wegen Bedenken, ob so ein Wagen zur Krisensituation passen würde. Deshalb nutzten ein Kollege und ich die Gelegenheit für nachgefragten Online-Content – und drehten ein Testvideo. Das brachte uns beiden etwas Ablenkung in einer verrückten Zeit. Und es war auch eine gute Gelegenheit, nach wochenlangem Home Office mal wieder ein Redaktionsmitglied in realiter zu Gesicht zu bekommen. Den notwendigen Sicherheitsabstand hielten wir natürlich ein.
Das (röhrende) Ergebnis unserer Test-Mühen sehen Sie im Video weiter unten. Es sorgte auf unserer Website wie erwartet für ordentlichen Zugriffs-Verkehr im Videobereich – Coronakrisenzeit hin oder her.
Video: Ausfahrt mit Proll-Taste
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