Sprachlos in Bonn

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sxc_1021895_38258664 Wie haben Sie ihren schwarzen Dienstag verbracht? Nein, ich rede nicht von ihrem Aktiendepot, das die Krise zu einem Häuflein flüchtigem Feinstaub pulverisiert hat. Ich rede von jenem Funkloch, dass sich einer dunklen Regenwolke gleich vor zwei Tagen über Deutschlands T-Mobile-Kunden schob.

Ab 15.45 Uhr, so zurrt es die Süddeutsche zeitlich fest,  blieben 40 Millionen deutscher Handies vor allem eines: stumm. Ihre Besitzer starrten verärgert auf ihre Displays, Blackberry-Nutzer wunderten sich über den plötzlich versiegten E-Mail-Fluss, und Mobiltelefonkunden blieben dank der abgetauchten T-Krisenkommunikation vor allem eines: ratlos.

Kein Anschluss unter dieser Nummer

Einer von ihnen saß  nur wenige hundert Meter vom Telekom-Hauptquartier im Museums-Kaffee – empfangstechnisch also in der Keim-Zelle der deutschen Mobiltelefonie. Die nachmittägliche Sonne sandte ihre letzten Strahlen in den mit hellen Steinen ausgelegten Innenhof, der Espresso wurde stark und mit geschmackvoller Crema serviert. Ein Griff zum Handy sollte einen Freund zum gemeinsamen Museumsbesuch überreden – doch wiederholtes Hantieren mit zwei Handies half nicht.

Ich zahlte, stand auf, und tat das, was ich seit gut drei Jahren nicht mehr versucht hatte: Ich suchte einen öffentlichen Münzfernsprecher, wie man diese großen Kästen aus dem letzten Jahrtausend mal nannte. Ich hatte Glück, denn bereits bei der Museumsgarderobe wurde ich fündig. sxc_telekom-munz_53276_43311

Ein Prachtexemplar in mattem Stahl hing da an der Seitenwand, auch von der Ferne gut an den Magenta-Intarsien der deutschen Telekom erkennbar. Sogar ein schmaler Geldschlitz war statt eines breiten Kartenmauls vorhanden – ein Glück, denn eine Wertkarte werte ich allenfalls noch als Sammlerstück.

60 Cent für 70 Kilometer

Ich hob ab, wählte die 0211, und schon forderte das Display weiteres Bares. Nach einem kurzen Geld-Wechsel beim freundlichen Garderobenmann aus Ghana hatte ich dann endlich genug klimpernde Münzen. 60 Cent Mindesteinwurf für einen Anruf aus Bonn nach Düsseldorf, das nenne ich Chu-T-zpe. Ich legte sogar einen ganzen Euro aus, für den ich knapp fünf Minuten ins Rheinland telefonieren konnte. Dort erfuhr ich dann fernmündlich vom GAU der Telekom. Es war ein bisschen wie eine Zeitreise: Der abgegriffene Plastikhörer, die aufgeregte Gegenseite, das ständige Nachwerfen – und die Preise, die mich bald sprachlos machten.

Wie so etwas in einem Land passieren kann, dass sich zu den fortschrittlichsten der Welt zählt? Ich weiß es nicht. Aber es gibt ja auch noch Strom-Totalausfälle in Nordamerika. Wär das nicht mal was, liebe Telekom? Am Sonntag – an dem die Telekom mit Gratis-SMS Buße tut – schreib ich mir jedenfalls die Finger wund.

Über den Autor:

Ich bin Wirtschaftsjournalist, entwickle Online-Inhaltsformate und schreibe am liebsten Business-Berichte mit Biss - erzählt in der jeweils passenden Inhaltsform. Dafür nutze ich alle Möglichkeiten, die das Handwerkszeug des Online-Qualitätsjournalismus hergibt. Angeeignet habe ich mir das in mehr als einem Dutzend Jahren beim SPIEGEL-Verlag und der Verlagsgruppe Handelsblatt.

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