Diese Bank bietet den österreichischen Medien großes Kino – und sorgt auch in Bayern für kräftige Verwerfungen: Kärntens ehemalige Landesbank Hypo Group Alpe Adria (HGAA) hat sich so stark verzockt, dass sie sich in die Obhut des österreichischen Staates flüchten musste. Doch das ist nur die eine Seite der Geschichte. Auf der anderen Seite stehen Kärntens verstorbener Landeshauptmann Jörg Haider, der kräftig in “seine” Bank hineinregierte, ein Investor namens Tilo Berlin, der einen Teil der HGAA aufkaufte und später mit hohem Gewinn an die BayernLB verkaufte – und die BayernLB selbst, die 2007 die HGAA für einen Milliardenbetrag kaufte und ihr Investment bitter bereute: Zwei Mal musste die BayernLB hohe Summen nachschießen, 3,7 Milliarden Euro hat die süddeutsche Landesbank mit ihrem Geldinstituts-Reinfall am Wörthersee verloren.
Für wiwo.de habe ich den Fall Hypo Alpe Adria in einer ausführlichen Zeitleiste beschrieben. Den Text finden Sie online unter dem Titel Chronik eines skandalträchtigen Todes oder wortgleich hier:
1991
Es ist ein kleiner Schritt mit großer Wirkung: Die Hypo Kärnten, bislang eine der kleinsten österreichischen Landesbanken, wandelt sich in eine Aktiengesellschaft um – und startet die ersten Crossborder-Leasinggeschäfte mit Slowenien.
1992
Stabswechsel an der Spitze der Hypo Kärnten: Der neue Vorstandschef Wolfgang Kulterer übernimmt die Führung der verschlafenen Provinzbank. Gerade einmal 1,87 Milliarden Euro Bilanzsumme wies die Hypo Kärnten damals auf. Kulterer holt die österreichische Versicherung Grazer Wechselseitige als Aktionär an Bord und trimmt die kleine Bank im Süden Österreichs auf Wachstum. Nach dem Zerfall Jugoslawiens engagiert er sich rasch in den Nachfolgestaaten, die quasi direkt vor der Haustüre liegen. 1995 wird die ehemalige Landesbank in Hypo Alpe Adria Bank (HAA) umbenannt.
1997
Kulterers Expansion Richtung Südosten beginnt mit der Gründung von Leasing-Gesellschaften in Kroatien und Slowenien, die sich späteren Medienberichten zufolge wenig zimperlich zeigen. So finanziert die Hypo Alpe Adria im großen Stil den Aufkauf von Teilen der istrischen Riviera zu Billigpreisen. Naturschutzgebiete werden nach dem Verkauf plötzlich in touristisch nutzbares Land umgewidmet, was dessen Wert explodieren lässt. An den Geschäften sind auch kroatische Kriminelle beteiligt, die später wegen ihrer Verbrechen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden.
Mit seinem nicht gerade zimperlichen Wachstumskurs pusht Kulterer die Bilanzsumme der Bank kräftig hoch: Im Jahr 2005 zählte die Hypo Alpe Adria mit einer Bilanzsumme von 25 Milliarden Euro zu den fünf größten Banken Österreichs. Ein Ende der Erfolgsstory schien nicht absehbar – doch das ändert rasch.
September 2004
Die Hypo Alpe Adria steigt in das Geschäft mit hoch riskanten Swap-Zinsgeschäften ein – und verbrennt sich dabei kräftig die Finger: Innerhalb von nur 14 Tagen verliert die Bank 328 Millionen Euro. Doch die hohen Verluste sollen dem Image der Bank nicht schaden, entscheidet Kulterer – und behält die Sache für sich. Die Landesholding informiert Kulterer seinen Angaben zufolge über die Verluste, doch der Öffentlichkeit enthält er den Fehlbetrag vor. Stattdessen soll das Minus über zehn Jahre verteilt abgeschrieben und so in der Bilanz versteckt werden.
2005
Kulterer platziert eine Wandelanleihe über 500 Millionen Euro für die Hypo Alpe Adria, obwohl den Beteiligten längst klar ist, dass der Skandal um Swap-Geschäfte den für 2007 geplanten Börsengang massiv gefährden dürfte. die Die Eile kommt auf Druck von Kärntens damaligem Landeshauptmann Jörg Haider, der die Hypo Alpe Adria auf dem Höhepunkt mit Landeshaftungen in Höhe von 25 Milliarden Euro stützte.
Haider hat mit dem Geld aus der Wandelanleihe Großes vor: Er dotiert damit den Zukunftsfonds des Landes Kärnten, der künftig soziale Wohltaten für die Einwohner seines Bundeslandes finanzieren soll.
März 2006
Wirtschaftsprüfer stolpern über Ungereimtheiten bei Zinserträgen der Bank und fragen nach. Sie erfahren vom hohen Verlust mit den Swap-Zinsgeschäften, dessen Verschleierung sämtlichen Bilanzierungsrichtlinien widerspricht. Als Folge ziehen Sie die Testate für die Bilanzen 2004 und 2005 zurück und erstatten Anzeige bei der österreichischen Finanzmarktaufsicht. Kulterer hat bald Ermittlungen wegen Bilanzfälschung am Hals und ist so nicht mehr als Chef haltbar. Er bleibt der Bank mit Jörg Haiders Hilfe aber erhalten – als Aufsichtrat, der weiterhin im Hintergrund die Fäden zieht.
Haider hat mit dem Skandal um die Hypo Alpe Adria aber ein gravierendes Problem am Hals: An einen Börsengang seiner Landesbank ist nicht mehr zu denken. Damit muss nun die Wandelanleihe, für die das Land Kärnten bürgt, auch von diesem zurückgezahlt werden. Doch Kulterer weiß einen Ausweg: Man müsse den Landesanteil eben verkaufen, rät er dem Landeshauptmann.
Dezember 2006
Mit dem Vermögensverwalter Tilo Berlin, der für eine Investorengruppe mit 125 Millionen Euro bei der Hypo Alpe Adria eingestiegen war, hat Kulterer plötzlich einen passenden Kandidaten an der Hand, der nach möglichen Investoren Ausschau hielt: Denn Berlin signalisiert, dass er Lust auf einen größeren Anteil hätte. Berlin kennt zudem Werner Schmidt, den Chef der mächtigen BayernLB, aus gemeinsamen Vorstandstagen. Ob nun Berlin oder Kulterer dem BayernLB-Chef einen Einstieg schmackhaft gemacht haben, ist unklar.
Januar 2007
Tilo Berlin erhöht seinen Anteil an der Hypo Alpe Adria auf 25 Prozent plus eine Aktie. Insgesamt investiert Berlin so rund 600 Millionen Euro.
Am 31. Januar treffen sich Werner Schmidt, Hypo-Alpe-Adria-Aufsichtratschef Kulterer und der Vermögensverwalter Tilo Berlin in der schmucken Münchner Zentrale der BayernLB, wie die Süddeutsche Zeitung herausgefunden hat. Sie sondieren einen Einstieg der BayernLB bei der österreichischen Landesbank. Auch über einen Verkauf von Berlins HAA-Anteilen an die BayernLB wird angeblich gesprochen.
Februar 2007
Bei einem neuerlichen Treffen zwischen Schmidt, Kulterer und Berlin ist offenbar auch Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider mit dabei. Bei diesem Gespräch wird von allen Beteiligten eine Absichtserklärung für die Übernahme der Hypo Alpe Adria durch die BayernLB abgegeben, wie eine von Bayerns heutigem Finanzminister Georg Fahrenschon eingesetzte Sonderprüferin ermittelt.
März 2007
Die BayernLB informiert ihren Verwaltungsrat über die Kaufabsichten und teilt der Hypo Alpe Adria brieflich mit, dass sie die österreichische Bank übernehmen wolle.
Mai 2007
Die BayernLB bietet offiziell 1,5 Milliarden Euro für 50 Prozent plus eine Aktie an der Hypo Alpe Adria. Der Deal war hinter den Kulissen längst eingefädelt worden. Ende Mai 2007 ist der Deal unter Dach und Fach: Insgesamt 1,62 Milliarden Euro investiert die BayernLB in das österreichische Geldinstitut und spricht von großartigen Wachstumsperspektiven in Südosteuropa.
Tilo Berlin übernimmt den Vorstandsvorsitz der Hypo Alpe Adria und beginnt mit dem „Auskehren“, wie er es nennt. Für ihn und seine Investorengruppe hat sich der Deal mit der BayernLB ausgezahlt: Die Bayern zahlen Berlin für seinen 25-Prozent-Anteil 750 bis 780 Millionen Euro. Innerhalb von wenigen Monaten fährt Berlin so einen Gewinn von 150 bis 180 Millionen Euro ein.
November 2007
Die Probleme bei der österreichischen Tochter häufen sich: Die BayernLB muss 440 Millionen Euro nachschießen, damit die Bank weiterarbeiten kann-
Februar 2008
Die BayernLB gerät wegen Milliardenverlusten aus anderen Geschäften in Turbulenzen. Für Werner Schmidt wird der Druck zu groß: Er muss seinen Posten räumen. Sein Nachfolger Michael Kemmer macht deutlich mehr Druck auf die Zentrale der Hypo Alpe Adria in Klagenfurt, was die Restrukturierung betrifft.
November 2008
Der ehemalige HAA-Chef Wolfgang Kulterer gesteht die Bilanzfälschung – und wird rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 140.000 Euro verurteilt. Er habe die Swap-Verluste verschwiegen, um die Bank zu schützen, rechtfertigt sich Kulterer. Daher habe er in Kauf genommen, dass „in Ansehung der Stillen Reserven und der Ertragskraft der Bank der Jahresabschluss 2004 eventuell unrichtig gewesen sein könnte“.
Die BayernLB muss ihrer österreichischen Tochter nochmals unter die Arme greifen: 700 Millionen Euro braucht die Hypo Alpe nun von ihrer deutschen Mutter. Denn die Kredite auf dem Balkan fallen reihenweise aus und gefährden das Überleben des Geldinstituts
23. Dezember 2008
Weihnachtsgeschenk für die nun schwerst angeschlagene Bank: Aus dem österreichischen Bankenhilfspaket erhält die Kärntner Landesbank nun 900 Millionen Euro. Der Anteil des Landes Kärnten an der Bank sinkt dadurch auf 12,42 Prozent.
März 2009
Tilo Berlin muss nach heftigem Druck und weiteren Millionenverlusten der Hypo Alpe Adria seinen Posten räumen. Zum Abschluss präsentiert er noch die Bilanz für 2008: Ein Verlust von 520 Millionen Euro steht in den Büchern.
14. Oktober 2009
Hausdurchsuchungen in Bayern und Kärnten werfen erneut ein grelles Licht auf die Vorgänge beim Verkauf der BayernLB. Grund für die Durchsuchungen ist der Vorwurf der Untreue: Um 400 Millionen Euro zuviel soll die BayernLB für die nunmehr als Hypo Group Alpe Adria (HGAA) firmierende Bank bezahlt haben.
November 2009
Bitteres Eingeständnis der HGAA: 2009 wird die Bank einen Verlust von deutlich mehr als einer Milliarde Euro verbuchen. Die BayernLB dringt darauf, dass sich das Land Kärnten und HGAA-Mitaktionär Grazer Wechselseitige an einer Kapitalspritze beteiligen, das Land Kärnten verlangt eine Beteiligung des österreichischen Staates. Derweil wird das Finanzloch der HGAA so groß, dass sie nach den Milliardenabschreibungen zu Jahresende unter die Mindestkapitalgrenze fallen wird. Die österreichische Bankenaufsicht setzt der HGAA deshalb ein Ultimatum bis Anfang Dezember.
Dezember 2009
Ein interner Prüfbericht bemängelt, dass die BayernLB die HGAA zu teuer und ohne sorgfältige Prüfung erworben hat. Bayerns Finanzminister Fahrenschon nennt den Kauf öffentlich einen „Fehler“. Die bayerische Opposition bringt Strafanzeige gegen Tilo Berlin und alle für den Kauf verantwortlichen Vorstände ein. Mitte dezember laufen die Verhandlungen über eine mögliche österreichische Staatshilfe auf Hochtouren. Nach einem dramatischen Verhandlungsmarathon Mitte Dezember wird eine Not-Verstaatlichung der Bank beschlossen. Für symbolische drei Euro kauft die Republik Österreich den Alteigentümern BayernLB, Grazer Wechselseitige und dem Land Kärnten ihre Anteile ab. Allerdings müssen alle drei noch Kapital einschießen.
Mit dem Hypo-Kauf hat die BayernLB bisher insgesamt 3,7 Milliarden Euro versenkt. Bayerns Opposition fordert knapp vor dem Jahreswechsel, dass die Profiteure des HGAA-Verkaufs ihren Gewinn von 150 Millionen Euro zurückzahlen sollen
Januar 2010
Gerüchten zufolge ist ein Haftbefehl gegen Tilo Berlin in Vorbereitung. Langsam sickern die Namen der insgesamt 47 Investoren rund um Tilo Berlin durch: Neben österreichischen Industriellen stehen auch einige süddeutsche Familiennamen auf jener Liste, die ein anonymer Mitarbeiter der Hypo Alpe Adria offenbar bei den Verkaufsverhandlungen mitgeschrieben hat. Auch die Familie des ehemaligen Wiener Finanzministers Karl Heinz Grasser hat an dem Verkauf gut verdient, zeigen Unterlagen, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen.
Februar 2010
Hypo-Alpe-Adria-Chef Franz Pinkl gibt seinen Rücktritt per 31. März bekannt.
31. März 2010
Tag der Wahrheit für die Hypo Alpe Adria: Bei der Jahresbilanz muss die Bank einen Verlust von 1,6 Milliarden Euro für das Jahr 2009 eingestehen.
1. April 2010
Der ehemalige KPMG-Chef Gottwald Kranebitter wird neuer Hypo-Alpe-Adria-Chef. Er will die Bank neu positionieren und kündigt eine gründliche Aufarbeitung der Vergangenheit an.
22. Juni 2010
Die EU-Kommission zieht die Überlebensfähigkeit der Bank in Zweifel.
28. Juni 2010
Das österreichische Nachrichtenmagazin Profil veröffentlicht Auszüge aus dem angeblichen Tagebuch von Tilo Berlin. Sie zeigen, wie der einstige HGAA-Chef den Deutschen eine de facto konkursreife Landesbank unterjubelte.
Juli 2010
Die Hypo Alpe Adria fürchtet auch in diesem Jahr hohe Kreditausfälle: Nach einer Analyse ihres Kreditportfolios geht die Bank 2010 von einer Risikovorsorge von bis zu einer Milliarde Euro aus. Das gibt HGAA-Chef Kranebitter auf einer Pressekonferenz bekannt.
02. August 2010
Haider-Millionen in Liechtenstein: Im Zuge von Ermittlungen im Fall Hypo Group Alpe Adria finden Ermittler in dem kleinen Fürstentum zwölf Briefkastenfirmen von Haider gefunden, in denen 5 Millionen Euro geparkt sind, berichtete das österreichische Magazin „profil“. Ursprünglich sollen es 45 Millionen Euro gewesen sein. Österreich rätselt, woher das Geld kam – möglicherweise vom libyschen Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi. Ob ein Zusammenhang mit dem HGAA-Verkauf besteht, ist aber nicht klar.
4. August 2010
Die EU genehmigt formal die Verstaatlichung der angeschlagenen Bank.
05. August 2010
Der ehemalige CSU-Chef Erwin Huber kündigt eine umfassende Aussage vor dem BayernLB-Untersuchungsausschuss. “Ich möchte meinen Beitrag leisten und die Vorgänge beim Kauf der HGAA transparent machen. Ich will die Abläufe lückenlos darstellen’, sagt Huber dem ‘Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung.
13. August 2010
Erste Festnahmen in der Causa Hypo Alpe Adria: Wolfgang Kulterer, der ehemalige Chef der Bank, wird gemeinsam mit einer weiteren Person festgenommen. Insgesamt werden 40 Personen als Beschuldigte geführt, der Akt umfasst nun 3 Millionen Seiten.