Elektroautos stellen Geschäftsmodell der Autobauer auf den Kopf

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Autos zu verkaufen war bisher ein relativ einfacher Geschäftsvorgang: Kunden kamen zum Autohändler und fuhren das Fahrzeug ihrer Wahl ein paar Stunden Probe. Wenn ihnen das Gefährt zusagte, feilschten sie mit dem Händler um den Preis, der machte ihnen noch ein Finanzierungsangebot der zur jeweiligen Marke gehörenden Bank. Nach der Unterschrift unter dem Vertrag kümmerte sich der Händler um ein paar Formalien – danach sahen sich Kunde und Händler bei den vorgeschriebenen Inspektionen wieder. Autohersteller machten beim Verkauf der Autos und bei der Wartung ihren Schnitt, beim Betrieb der Fahrzeuge fiel kaum etwas für sie ab.

Bei Elektroautos dürfte sich das radikal ändern. Einer Studie der Unternehmensberatung Oliver Wyman sagt für 2025 Gewinne von neun Milliarden Euro durch Elektromobilität voraus. Doch volle zwei Drittel dieser schwarzen Zahlen entstehen bei der Vermarktung und insbesondere dem Betrieb der Fahrzeuge. „Automobilhersteller sind gezwungen, diese Gewinnzonen auszuschöpfen, um gerade in den nächsten Jahren Elektrofahrzeuge wirtschaftlich anbieten können“, schreiben die Autoren der Studie.

Im Klartext: Zum Repertoire der Elektroauto-Bauer werden spezielle Leasing-Angebote, Wartungsverträge sowie Vermietkonzepte oder Car Sharing gehören. Bis 2025, so die Autoren, sind Autos mit herkömmlichen Antrieben billiger als Elektroautos, wenn man Anschaffungskosten, Wertverlust und Betriebskosten zusammenrechnet. Unterstellt wurde bei der Modellrechnung eine vierjährige Laufzeit mit 15.000 Kilometern Fahrleistung pro Jahr. Erst 2025 sind Elektroantriebe bei dieser Total Cost of Ownership-Rechnung billiger als Verbrennungsmotoren – wohl auch, weil der Preis für die bislang sehr teure Batterie in den nächsten 15 Jahren deutlich sinken wird.

Diese Rechnung mischt aber auch die Karten neu. Wenn sich der Kauf für Private kaum lohn, treten neue Spieler auf den Plan. Autovermieter und Energieversorger versuchen sich nun als Elektroauto-Gurus zu positionieren. So bietet der Autovermieter Sixt seit kurzem einige Miet-Elektrofahrzeuge an. Der Energiekonzern RWE versucht sich mit Stromtankstellen und Fahrzeugflotten ein grüneres Image zu verpassen. Und der kleine Versorger EWE entwickelt sogar ein eigenes E-Mobil.

Künftig werden künftig neue Geschäftsmodelle notwendig sein, die weniger auf Technik, sondern auf Mobilität zielen, meinen die Experten von Oliver Wyman, So könnten Service und Mobilität in einem Angebotspaket zusammengefasst werden ,das die Hochvoltbatterie, ein bestimmtes Stromkontingent, eine Ladebox samt privater Ladeinfrastruktur bis hin zu Wartung und Reparatur enthält. Das klingt auf das erste Hinhören praktisch – doch es könnte den Kauf eines Elektroautos zu einem ähnlichen Spießrutenlauf machen wie die Wahl des passenden Handybetreibers.

Erste Hinweise, dass die Autobauer in diese Richtung gehen, gibt es bereits: GMs Elektroauto Volt, das 2011 auf den US-Markt kommt, wird mit einer Garantie für Batterie und Ladesysteme ausgeliefert, die sich auf acht Jahre oder 150.000 Kilometer Laufleistung erstreckt. Nissans Ende 2010 erhältliches E-Mobil Leaf bietet eine ähnliche Garantie an.

Doch das Angebote-Schnüren wird noch deutlich weiter gehen: Die Zukunft gehört Geschäftsmodellen, die Autohersteller, Mobilitätsanbieter und Stromversorger zusammenbringen, heißt es in der Studie. Einfach wird das nicht. Eine intensive Koordination aller Beteiligten und neue organisatorische Ansätze seien erforderlich um die “zunehmende Komplexität zu beherrschen“, heißt es in der Studie. Das dürfte stolzen Autobauern wie Mercedes oder BMW, die gerne alles selbst machen, schwerfallen.

Hinweis: Diesen Text finden Sie auch im Blog Wattgetrieben auf wiwo.de: Wie Elektrofahrzeuge den Autoverkauf umkrempeln werden

Über den Autor:

Ich bin Wirtschaftsjournalist, entwickle Online-Inhaltsformate und schreibe am liebsten Business-Berichte mit Biss - erzählt in der jeweils passenden Inhaltsform. Dafür nutze ich alle Möglichkeiten, die das Handwerkszeug des Online-Qualitätsjournalismus hergibt. Angeeignet habe ich mir das in mehr als einem Dutzend Jahren beim SPIEGEL-Verlag und der Verlagsgruppe Handelsblatt.

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