Henry Kravis: KKRs geläuterter Barbar wagt sich an die Börse

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Henry Kravis sammelt Unternehmen wie andere Briefmarken. Wie Jagdtrophäen hängen in seinem New Yorker Büro die Logos jener Unternehmen, die er übernommen hat. Weit über 100 Firmen hat die von ihm gegründete Private-Equity-Gesellschaft Kravis, Kohlberg und Roberts (KKR) seit 1976 aufgekauft – und zum großen Teil gewinnbringend wieder abgestoßen.

Der 66-jährige Financier sagt von sich selbst, er sei sein ganzes Leben in Eile. Für einen vergleichsweise banalen Schritt musste Kravis jedoch gehörig Geduld aufbringen.. Drei Jahre lang hat Kravis wenig von sich hören lassen. Die Finanzkrise, die ihm einen kräftigen Strich durch die Rechnung machte, hat er durchtaucht. Nur die Feindschaft zu seinem Erzkonkurrenten Stephen Schwarzman hat er innig gepflegt.

Doch nun erfüllt sich der stets charmant auftretende Milliardär sein bereits vor drei Jahren gefasstes Ziel: Er bringt KKR heute an die New Yorker Börse – mit über 1000 Tagen Verspätung. Ursprünglich sollte sich KKR bereits am 3. Juli 2007 auf das Börsenparkett wagen. Doch die damaligen Turbulenzen am Hypothekenmarkt und die daraufhin einsetzende Finanzkrise vereitelten Kravis’ Pläne. Nun gibt sich Kravis geradezu bescheiden: 500 Millionen Dollar soll KKR erlösen, „je nach Marktlage“ könnte KKR auch noch zusätzliche Aktien auf den Markt werfen. Nicht gerade viel für ein Unternehmen, das 55 Milliarden Dollar an Aktiva verwaltet.

Bislang war nur KKRs europäische Fondstochter an der europäischen Euronext notiert. Sie wird nun von der Börse genommen und verschmilzt wieder mit der Mutter. Auf Basis des Schlusskurses in Amsterdam hat KKR einen Börsenwert von 6,4 Milliarden Dollar – doch nur ein kleiner Teil der Aktien wird in den freien Handel kommen. Kravis und sein Cousin George Roberts halten je 13 Prozent an dem Unternehmen, weitere 49 Prozent gehören KKR-Insidern. Maximal 35 Prozent des Grundkapitals stehen für den Börsengang zur Verfügung.

Name mit Strahlkraft

Das Interesse wird dennoch groß sein. Der Name Kravis hat in kapitalkräftigen Kreisen große Strahlkraft. Schließlich gilt der Sohn eines Erdölingenieurs als einer der Begründer der Private-Equity-Branche. Während seiner Zeit bei der Investmentbank Bear Stearns lernte Kravis, wie sich an der Börse unterbewertete Firmen mit geliehenem Geld übernehmen lassen. Der Trick dieser so genannten Leveraged Buy-Outs (LBO): Die Käufer bringen maximal 25 Prozent des Eigenkapitals für die Übernahme selbst auf, der Rest wird unter Beteiligung des Management der übernommenen Firma und per Schuldenaufnahme finanziert. Finanzinvestoren wie KKR gehen aber noch zwei Schritte weiter: Nach der Übernahme machen sie das Unternehmen per Rosskur wieder fit und verkaufen es nach einigen Jahren möglichst gewinnbringend – mit Renditen von 30 Prozent oder mehr.  Das Problem bei solchen Deals: Das aufgekaufte Unternehmen bekommt die Schuldenlast aufgebürdet,, was angeschlagene Unternehmen teils in den endgültigen Ruin treibt.

Doch Kravis, dessen raue Geschäftstaktiken als Vorlage für den Finanzhai Gordon Gekko in dem Film „Wall Street“ dienten, störten solche Kleinigkeiten in seinen Anfangsjahren kaum.  Seine Studentenzeit verbrachte er laut Berichten eher mit „Golf spielen, am Strand liegen, Las Vegas und auf der Rennbahn“ – doch in seinem letzten Studienjahr riss sich Kravis am Riemen und schaffte die Aufnahme an die prestigeträchtige Columbia Business School. Sein Cousin George Roberts, mit dem er sich auch ein Studentenzimmer geteilt hatte, verschaffte ihm einen Job bei der Investmentbank Bear Stearns. Dort lernten beide Anfang der 1970er-Jahre ihren Mentor Jerome Kohlberg kennen, der beide in die Welt der LBOs einführte.

Meister des harten Deals

1976 machten sich die drei selbständig und gründeten KKR. Die gelbliche Urkunde über KKRs Kontoeröffnung mit einer Einlage von 10.000 Dollar hängt noch heute im KKR-Büro in der 42. Etage eines New Yorker Hochhauses. In den wilden 1980er-Jahren, als sich die Deregulierung in den USA zu einer Übernahmewelle von gigantischen Ausmaßen hochschaukelte, stieg der Finanzinvestor rasch zu einer der ersten Adressen an der Wall Street auf. Kravis Mentor Kohlberg stieg aus der gemeinsamen Firma aus, weil ihm die Geschäftstaktiken der beiden jüngeren zu aggressiv wurden.

Sein Meisterstück lieferte der 1,65 Meter große Amerikaner mit dem Jack-Nicolson-Gesicht im Jahr 1988. Damals übernahm KKR den Tabak- und Nahrungsmittelriesen RJR Nabisco in einer spektakulären Übernahmeschlacht, die ihresgleichen suchte. 31 Milliarden US-Dollar ließ sich KKR die Übernahme kosten. Kravis unterschrieb den Vertrag, obwohl die Finanzierung zum Zeitpunkt seiner Unterschrift längst noch nicht gesichert war. Die Schulden, die er RJR Nabisco damit aufbürdete, schnürten dem Konzern dann beinahe die Luft ab.

Exzessiver Lebensstil

Geschäftlich war die Übernahme kein Erfolg. KKR verkaufte nach und nach Teile des Konzerns mit eher geringen Gewinnen.Viel schlimmer für Kravis war der Imageschaden, den er sich zugefügt hatte. Die Nachwehen des Nabisco-Deals gipfelten in dem für Kravis wenig schmeichelhaften Buch „Barbarians at the Gate“, das die feindliche Übernahme minutiös beschreibt. Zu seinem Brutalo-Image trug wohl auch sein früherer Lebensstil bei. Mitte der 1980er-Jahre heiratete Kravis in zweiter Ehe die Modedesignerin Carolyne Roehm. Beide führten ein exzessives Milliardärsleben. Kravis gab Millionen für Kunst und Möbel aus der Zeit Ludwig XV aus. Für eine seiner Parties ließ das Paar 6000 Blumen aus Europa einfliegen. Angeblich wurde Gästen in seinem Haus in Connecticut am Morgen der Duft von Croissants und Kaffee ins Zimmer geblasen.

Kravis veranstaltete seine Feste aber nicht nur aus purer Lebensfreude. Der als aufgeschlossen und gesellig geltende Finanzmogul machte diese Abende zu Netzwerk-Events, wo sich die Creme de la Creme der internationalen Finanzwelt trafen.

1991 starb einer seiner Söhne bei einem Autounfall, was Kravis laut Freunden deutlich milder gemacht haben soll. Seine Ehe mit Roehm ging 1993 in die Brüche. Der Finanzjongleur ist heute mit der kanadischen Ökonomin Marie-Josée Druin verheiratet, beide gelten als große Kunstliebhaber. In den letzten 30 Jahren hat Kravis als Wohltäter Millionen in Bildungsprogramme und Stiftungen gesteckt.

Geläuterter Finanzhai

Kravis bemüht sich seit einiger Zeit nach Kräften, dass Image des gewissenlosen Finanzhais abzuschütteln. „Die Kritiker übersehen, dass sich viele Unternehmen ohne eine Restrukturierung in noch größeren Schwierigkeiten befinden würden“, sagte er vor drei Jahren dem Handelsblatt. KKRs Website streicht die Langfristigkeit ihrer Investments hervor – wobei Langfristigkeit dabei meist eine Haltedauer von sieben Jahren bedeutet. Reportern rechnet Kravis auch gerne vor, dass seine Unternehmen in Europa zwischen 2004 und 2007 420.000 neue Jobs geschaffen haben.

Mittlerweile gibt KKR wie beim Kauf des Gabelstapler-Unternehmens Kion vor drei Jahren sogar Beschäftigungsgarantien für die Mitarbeiter ab. Zu KKRs deutschem Portfolio zählen zurzeit die Autoteile-Kette A.T.U., das Medienunternehmen ProSiebenSat.1, und die hinter dem „Grünen Punkt“ steckende Entsorgerfirma Duales System Deutschland. Vor kurzem hat sich KKR auch mit 35 Prozent dem Familienunternehmen Rudolf Wild GmbH beteiligt, das unter anderem das Getränk Capri Sonne herstellt.

KKRs Vorzeigeprojekt in Deutschland ist der Automatenhersteller Wincor Nixdorf, den KKR 1999 kaufte und 2004 an die Börse brachte. Unter KKRs Regentschaft stieg die Zahl der Mitarbeiter von 3400 auf 6300, der Aktienkurs ist trotz Finanzkrise mehr als doppelt so hoch wie vor sechs Jahren. Bei A.T.U. und ProSieben war KKR bislang weniger erfolgreich. Die Werkstatt-Kette kommt nicht aus den roten Zahlen (wiwo.de berichtete), der Fernsehkonzern schreibt zwar seit kurzem Gewinne, ächzt aber unter einer Schuldenlast von drei Milliarden Euro.

Gepflegte Feindschaft

Gewisse Feindschaften pflegt der KKR-Chef weiterhin innig – so etwa jene zu seinem Erzkonkurrenten Steven Schwarzman, Gründer des Finanzinvestors Blackstone. KKR und Blackstone konkurrierten jahrelang darum, wer die größeren Übernahmen stemmen könnte. Im Jahr 2007 übertrumpfte Blackstone mit der 39 Milliarden Dollar schweren Übernahme von Equity Office Properties erstmals KKRs Rekordmarke aus dem Jahr 1988. KKR legte 2007 nach-  und übernahm das texanischen Energieunternehmen TXU für 43 Milliarden Dollar.

Danach glitt der Wettkampf ins Persönliche ab. Schwarzman schmiss zu seinem 60. Geburtstag eine 3 Millionen Dollar teure Party in New York, bei der Kravis nicht eingeladen war. Kravis bezeichnete Schwarzman darauf hin als „Aushängeschild der Gier“. Seither weigern sich beide angeblich, dieselben Wohltätigkeitsveranstaltungen zu besuchen und bieten in Kunstauktionen gegeneinander.

KKR-Aktie für Investoren riskant

Mit dem heutigen Börsengang von KKR zieht Kravis mit drei Jahren Verspätung mit Schwarzman gleich – wobei er anders als Schwarzman keine eigenen Aktien verkaufen dürfte, wie das Wall Street Journal berichtet. Das hat er bei einem Salär von jährlich 22 Millionen Dollar wohl kaum notwendig.

Experten bezweifeln allerdings, dass KKRs Aktien für Investoren ein einträgliches Geschäft werden. Laut Daten des Finanzdienstleisters Bloomberg liegen die Werte für angekündigte LBOs im ersten Halbjahr 2010 um 90 Prozent unter jenen des Jahres 2007. KKR versucht sich auch aus diesem Grund, mit Investitionen in Gasexplorationen sich ein neues Standbein aufzubauen. Denn der Investor sitzt zurzeit auf 12,6 Milliarden ungenutzten Kapitalzusagen.

Zudem schwanken die Profite des Finanzinvestors stark: Im Jahr 2007 legte KKR einen Gewinn von 2,4 Milliarden Dollar hin, im Jahr 2009 waren es 6,9 Milliarden – doch im Jahr dazwischen stand ein Verlust von 13,1 Milliarden Dollar in den Büchern. Die Aktienkurse von KKRs europäischer Fondstochter schwankten in den letzten drei Jahren zwischen 22,5 und 2 Dollar

„Ein echter Entrepreneur arbeitet ohne Sicherheitsnetz“, ist einer von Kravis Lieblingssätzen. Investoren sollten also keine Scheu mitbringen, wenn sie in KKR-Aktien investieren.

Disclaimer: Den wortgleichen Text finden Sie auch auf wiwo.de

Über den Autor:

Ich bin Wirtschaftsjournalist, entwickle Online-Inhaltsformate und schreibe am liebsten Business-Berichte mit Biss - erzählt in der jeweils passenden Inhaltsform. Dafür nutze ich alle Möglichkeiten, die das Handwerkszeug des Online-Qualitätsjournalismus hergibt. Angeeignet habe ich mir das in mehr als einem Dutzend Jahren beim SPIEGEL-Verlag und der Verlagsgruppe Handelsblatt.

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