Du bist hier:, Politik & International, Wirtschaftspolitik & Internationales, wiwo.deBPs Öl-Pest am Golf: Antworten auf acht wichtige Fragen

Chef-Debatten, Not-Verkäufe, neue PR-Pannen: Die Meldungs-Flut zu BPs Öl-Katastrophe verstellt den Blick aufs Wesentliche. Antworten auf die acht wichtigsten Fragen rund um die Öl-Pest am Golf.

1. Vor kurzem hat BP erfolgreich eine neue Kappe auf der Ölquelle am Meeresboden angebracht. Ist das Öl-Leck damit gestopft?

Nein. Die in 1600 Metern Tiefe angebrachte Kappe hält zwar bisher dem enormen Druck stand. Dabei sind die bisher gemessenen hohen Druckwerte ein Zeichen, dass die Betonwände rund um die Ölquelle halten. Niedrige Druckwerte – das sind in diesem Fall unter 410 Bar – würden auf weitere undichte Stellen weiter unten in der Ölquelle hinweisen.

Doch die Kappe ist nur eine Zwischenlösung. Laut BP sind Entlastungsbohrungen der bislang einzig bewiesene Weg, um die Quelle zum Versiegen zu bringen. Diese müssen aber bis zum Ursprung der Quelle in 4000 Metern Tiefe gehen, um das Leck tatsächlich zu stopfen.

Diesen Weg hat BP längst eingeschlagen. Am 2.Mai begann BP das erste Entlastungsloch zu bohren.  Die Bohrungen für das zweite Loch, das im Falle des Versagens der ersten Bohrung benötigt wird, begannen zwei Wochen später. Mitte August sollte die erste Bohrung dann endlich ihr Ziel erreichen. Dann wird BP in das Loch ein Zement-Schlamm-Gemisch einleiten, das die lecke Quelle endgültig verstopfen soll.

2. Um Öl zu fördern, benötigt man normalerweise Pumpen. Warum sprudelt das Öl am Meeresgrund von selbst aus der Quelle?

Weil das Öl unter einer dicken Gesteinsschicht sitzt, auf der noch eine 1600 Meter hohe Wassersäule sitzt. Das erzeugt enormen Druck auf die darunter liegenden Ölreserven. Wird dieser Ölsee durch eine Bohrung angezapft, schießt das Öl mit hohem Druck nach oben.

3. Wie viel Öl ist bisher aus der Quelle ausgetreten?

Das kann bisher niemand genau sagen. Die US-Regierung geht in ihren pessimistischen Schätzungen davon aus, dass seit dem 20 April 2010 jeden 8400 Tonnen Öl ins Meer geflossen sind. Der Gouverneur des US-Bundesstaats Louisiana erklärte heute, dass laut offiziellen Schätzungen insgesamt 5,4 Millionen Barrel Öl (rund 860 Millionen Liter) aus der Macondo-Quelle ausgetreten sind. Früheren Schätzungen zufolge waren es 356 bis 697 Millionen Liter Öl.

Davon befinden sich nur noch 1,6 Millionen Barrel im Golf. Rund 2,6 Millionen Barrel sind verdunstet oder wurden biologisch abgebaut, 823.000 Barrel wurden von Schiffen aufgenommen, 262.000 Barrel verbrannt und 100.000 von der Oberfläche abgeschöpft.

4. Kann es BP und der US-Regierung bei solchen Mengen nicht egal sein, wie viel Öl tatsächlich ausgetreten ist?

Nein. Die Mengen-Frage wird für BP von entscheidender Bedeutung sein. Denn die Strafzahlungen, die auf BP noch zukommen, werden sich in Barrel ausgetretenen Öls bemessen. Der amerikanische „Clean Water Act“ legt pro Barrel Öl eine Strafzahlung von 1100 Dollar fest. Bei grober Fahrlässigkeit müssen Umweltverschmutzer sogar 4300 Dollar pro Barrel berappen. Sollte dieses Gesetz als Maßstab herangezogen werden, drohen BP Strafzahlungen von mindestens 60 Milliarden Dollar.

Die gute Nachricht für BP: Bisher gibt es noch keine anerkannte Methode, um den Ölausfluss in solcher Tiefe und in solcher Menge verlässlich zu berechnen. Das US-Umweltministerium setzt Berichten zufolge deshalb auf insgesamt fünf verschiedene Ansätze zur Messung des ausgetretenen Öls. Und es wird noch Jahre dauern, bis sich die Wissenschaftler einig sind.

5. Was tut BP, um die Ölpest an den Stränden einzudämmen?

Mittlerweile eine ganze Menge. Einem Bericht des Wall Street Journal zufolge gibt BP täglich 100 Millionen Dollar für die Beseitigung der Ölpest aus. BP zahlt für die Kommandozentren in Houston und New Orleans, wo hunderte US-Beamte auf BPs Kosten die Maßnahmen koordinieren. Rund 6800 Schiffe sind derzeit im Golf von Mexiko im Einsatz. Sie schöpfen Öl auf dem Wasser ab oder werden dazu eingesetzt, das Öl zu verbrennen.

An der hunderte Kilometer langen Küste arbeiten mittlerweile 45.000 Reinigungshelfer. Bisher hat der BP vier Milliarden Dollar (rund drei Milliarden Euro) in die Rettungsmaßnahmen investiert. US-Präsident Obama zwang BP, 20 Milliarden Dollar in einen Entschädigungsfonds einzuzahlen.

Eigenangaben von BP zufolge hat der Konzern bisher 201 Millionen Dollar an die Bewohner und Betriebe der Golfküste ausbezahlt. Insgesamt sind bei BP 114.000 Forderungen eingegangen. Fischer haben von BP bisher 32 Millionen Dollar erhalten, Shrimp-Farmer 18 Millionen Dollar.

6. Zeigen die Aufräumarbeiten bisher Wirkung?

Bei dieser Größenordnung der Öl-Verseuchung sind die Erfolge bisher bescheiden. Weiterhin sind 35 Prozent der vom Bund verwalteten Küstengewässer wegen des Ölteppichs gesperrt. Viele der rund 40.000 Fischer in der Golf-Region sind arbeitslos geworden und leben von den Schecks, die ihnen BP ausstellt. Die gesamte Tourismusindustrie an der Südküste kämpft mit heftigen Besucherrückgängen. Selbst an Stränden in jenen Teilen Floridas, an denen noch kein einziger Tropfen Öl angekommen ist, bleiben die verunsicherten Gäste aus.

Die Umweltfolgen lassen sich noch gar nicht absehen. Zum Vergleich: Bei der Havarie des Tankers „Exxon Valdez“ vor Alaskas Küste im Jahr 1989 flossen 40.000 Tonnen Öl ins Meer. Diese Menge reichte, um das Ökosystem auf Jahre zu schädigen. Die Region hat sich bis heute nur oberflächlich von den Folgen erholt.

7. Was geschieht nun mit dem angeschlagenen Öl-Konzern?

BP bleibt angesichts der enormen Kosten – die Schätzungen gehen bis zu 100 Milliarden Dollar – gar keine andere Wahl, als Unternehmensteile zu verkaufen. Der Konzern hatte bereits vor einigen Tagen angekündigt, in diesem Jahr Teile seines Besitzes im Wert von zehn Milliarden Dollar zu verkaufen.

Gestern machte BP den ersten Schritt und veräußerte für sieben Milliarden Dollar Randteile seines Geschäfts an die US-Ölförderfirma Apache. Rund 7,5 Milliarden Dollar will BP durch die Streichung der Dividende für zunächst drei Quartale einsparen. Außerdem verringert BP die Investitionssumme um zehn Prozent, was zwei Milliarden Dollar in BPs Kassen spülen wird.

Richtig spannend wird es aber am 27. Juli, wenn BP seine Halbjahreszahlen präsentiert. Denn BP gilt längst als Übernahmekandidat und sucht mehr oder weniger heimlich nach Investoren. Bei der Bilanzpräsentation wird BP-Chef Tony Hayward zwar alles daran setzen, seinen Aktionären zu erklären, dass BP die Kosten alleine schultern kann. Doch wenn die Zahlen schlecht ausfallen, könnte das Konkurrenten wie Exxon-Mobil oder Royal Dutch Shell zu einem Übernahmeversuch ermutigen. Allerdings haben sie dabei aus kartellrechtlichen Gründen schlechte Karten.

8. Könnte die britische Regierung BP nicht unter die Arme greifen?

Das dürfte sie kaum tun. Die Stellungnahmen der letzten Tage zeigen, dass die britische Regierung keine staatliche Rettungsaktion durchziehen wird, wie sie etwa bei Banken passiert ist. Zwar beschäftigt der Konzern in Großbritannien 10.000 Menschen und besitzt einen großen teil der britischen Energie-Infrastruktur. Aber BP gilt in seiner Heimat nicht als systemrelevant wie etwa Großbanken, von deren Kreditvergabe wiederum viele andere Unternehmen abhängen.

Ein Zusammenbrechen des Ölriesen wäre für die Briten aber trotz allem äußerst unangenehm. BP hat im letzten Jahr 7,25 Milliarden Euro an Steuern an die britische Regierung überwiesen, das entspricht in etwa dem britischen Etat für Entwicklungshilfe. Zum zweiten haben viele britische Pensionsfonds in BP-Aktien investiert. Sollte BP untergehen, können sich Millionen britischer Rentner auf ein böses Erwachen gefasst machen.

Disclaimer: Den wortgleichen Artikel finden Sie auch auf wiwo.de: Die acht wichtigsten Antworten zu BPs Öl-Desaster

Über den Autor:

Ich bin Wirtschaftsjournalist, entwickle Online-Inhaltsformate und schreibe am liebsten Business-Berichte mit Biss - erzählt in der jeweils passenden Inhaltsform. Dafür nutze ich alle Möglichkeiten, die das Handwerkszeug des Online-Qualitätsjournalismus hergibt. Angeeignet habe ich mir das in mehr als einem Dutzend Jahren beim SPIEGEL-Verlag und der Verlagsgruppe Handelsblatt.

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